Und plötzlich ist es wieder da, dieses Gefühl von Stress und innerer Anspannung. Vielleicht stehst du vor einer unerwarteten Herausforderung, die Dinge laufen gerade nicht so, wie du es dir erhofft hattest oder deine Aufgaben stapeln sich und damit auch dein Stresspegel.
Unser Atem ist ein wunderbarer Indikator dafür, wie wir uns gerade fühlen. Atmest du flach und wenig tief ist dies ein Zeichen, dass du gestresst und innerlich angespannt bist oder dein Körper in Alarmbereitschaft ist.
Das Schöne ist, dass du deinen Atem im Gegenzug auch bewusst dafür einsetzen kannst, um das Gefühl von Stress im Körper zu reduzieren. Die folgenden Atemübungen können dir dabei helfen, bereits in wenigen Minuten dein Nervensystem zu beruhigen und mehr Entspannung in deinen Alltag zu bringen. Du kannst sie einmalig in der jeweiligen Situation anwenden oder eine regelmäßige Routine daraus machen.
6 Atemübungen für einen entspannten Alltag:
1. Entspannung durch tiefe Bauchatmung
Diese Atmung ist ein wunderbares Erste-Hilfe-Tool, wenn gar nichts mehr geht, du dich überfordert und gestresst fühlst. Du kannst sie ganz einfach überall und jeder Zeit anwenden. Die meisten Menschen kennen die tiefe Bauchatmung als Erwachsene gar nicht mehr sondern atmen nur in den Brustkorb. Mit der tiefen Bauchatmung aktivierst du dein Zwerchfell. Dies stärkt die Lungenkapazität und entspannt bereits in kürzester Zeit Körper und Geist. Außerdem nimmst du mit dieser Atmung am meisten Sauerstoff auf, was zudem deine Gesundheit fördert.
- Finde eine bequeme Standposition, deine Füße sind in etwa hüftweit aufgestellt
- Lege deine Hände auf den Bauch, die Fingerspitzen berühren sich.
- Atme nun so tief in den Bauch ein, dass die Fingerspitzen auseinander gehen und der Bauch sich nach oben wölbt.
- Mit der Ausatmung leerst du alle Luft aus deinem Bauch, der Bauch wird flach und die Hände verschieben sich ineinander.
- Mache diese Übung (am besten mit geschlossenen Augen) 2 Minuten lang.
- Du wirst sehen, dass die innere Anspannung und das Gefühl von Stress sich schnell auflösen und du dich innerlich ruhig fühlst.
- Wiederhole diese Übung, wenn möglich, täglich mindestens einmal
2. Vier-Quadrat-Atemübung für mehr Entspannung
Auch diese Atmung ist sehr simpel und doch sehr effektiv. Ihre Wirkung kann sich bereits nach wenigen Minuten zeigen, deshalb ist sie sehr gut für Anfänger geeignet, die noch nicht so vertraut mit Atemübungen sind. Außerdem eignet sie sich gut, wenn du unterwegs bist oder wenig Zeit hast und spürst, dass du dich erschöpft oder gestresst fühlst.
- Sorge dafür, dass du ein paar Minuten ungestört bist.
- Finde eine bequeme und aufrechte Sitzposition, alternativ kannst du die Übung auch im Liegen oder Sitzen machen - schaue in jedem Fall, dass deine Wirbelsäule gerade ist
- Schließe die Augen
- Atme vier Zählzeiten lang durch die Nase ein
- Halte nun für vier Zählzeiten den Atem an, beziehungsweise verweile in der Pause zwischen den Atemzügen
- Danach atmest du durch die Nase vier Zählzeiten lang wieder aus
- Es folgt wieder eine Pause von vier Zählzeiten
- Beginne nun von vorne, atme vier Zählzeiten lang ein…
- Mache diese Übungen ein paar Minuten lang - so lange, bis zu merkst, dass du dich entspannst und ruhiger wirs
3. Vier-Sieben-Elf-Atmung gegen chronischen Stress
Diese Übung zählt zu den bekanntesten und beliebtesten Atemübungen zur Entspannung. Die verlängerte Ausatmung sorgt dafür, dass sich dein Nervensystem beruhigt, das Gefühl von Stress nachlässt – und somit die Stressbegleiterscheinungen wie Bluthochdruck oder innere Anspannung. Idealerweise praktizierst du diese Übung 11 Minuten lang an einem ruhigen Ort, an dem du für ein paar Minuten ungestört bist.
- Schließe die Augen
- Atme nun vier Zählzeiten lang durch die Nase ein
- Nun halte für vier Zählzeiten den Atem an
- Danach atmest du durch die Nase sieben Zählzeiten lang wieder aus
- Beginne nun von vorne, atme vier Zählzeiten lang ein…
- Mache diese Übungen 11 Minuten lang
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4. Loslassen & Entspannen – Atem & Musik im Körper spüren
Dies ist meine Lieblingsübung, die ich bereits im Studium ganz intuitiv angefangen habe. Letztendlich ist sie ganz kurze Minivariante von einer Breathworksession, die jedoch auch in dieser kurzen Zeit bereits viel bewirken kann. Vor allem ist sie sehr schön, wohltuend und beruhigend.
- Sorge dafür, dass du ein paar Minuten ungestört bist und suche dir einen Song aus, der dich berührt
- Spiele den Song ab und lege dich auf dem Boden, die Arme liegen an der Seite des Körpers
- Atme tief in den Bauch ein und aus, finde eine gleichmäßige Atmung
- Höre nun bewusst dem Song zu, spüre, wie die Musik durch dich durchfließt
- Atme weiter tief und voll ein und aus
- Nimm wahr, was die Musik in deinem Körper macht - vielleicht kommen Emotionen auf, lass sie zu
- Gib dich bewusst dem Song, der Musik, hin
- Spüre gleichzeitig, wie der Boden und deine Atmung dich trägt und du diese Sicherheit fühlst
- Nimm wahr, wie du innerlich ruhiger und entspannter wirst
- Wenn dies dir gutgetan hat, mache diese Übung einen oder mehrere Songs lang
5. Überforderung & Gedankenkreisen beenden durch Ujjāyi Pranayama
Diese Atemübung, das Ujjāyi Pranayama, praktizieren wir vor allem in einer Yogaklasse. Du kannst sie aber auch ganz wunderbar einfach für ein paar Minuten in deinem Alltag einbauen. Sie stärkt den Fokus. Zudem fördert die Konzentration auf diese Atemtechnik den präfrontalen Bereich des Gehirns, was langfristig die Gedanken- und Emotionskontrolle stärkt. Dies unterstützt dich dabei, deine Gedanken bewusst wahrzunehmen und Sorgen und Gedankenkreisen zu entlarven. Ausserdem beruhigt diese Atmung die Nerven und belebt den Organismus.
- Finde eine aufrechte und bequeme Sitzhaltung oder stelle dich gerade hin. Die Schultern sind locker.
- Richte deinen Fokus auf deinen Atem und atme tief durch die Nasen ein und aus.
- Lege nun die Zungenspitze am Gaumen ab und rolle die Unterseite leicht ein.
- Atme nun tief in den Rachen ein, sodass ein Reibelaut (vergleichbar mit dem Meeresrauschen) entsteht.
- Auch die Ausatmung fließt durch den Rachen und erzeugt diesen Reibelaut.
- Der Atem fließt nun gleichmäßig und ruhig
- Atme in dieser Technik einige Minuten weiter bis du dich innerlich ruhiger und fokussierter fühlst
6. Atemfühlen: Innere Anspannung lösen & den Körper spüren
Wenn wir gestresst sind, fühlen wir oft nichts mehr. Der bewusster Fokus auf das Spüren hilft dir, ganz im Moment zu sein und dadurch Entspannung zu erfahren. Dies ist keine klassische Atemübung sondern sie kombiniert das Fühlen und die Atmung, um so innerlich loszulassen und Ruhe zu finden.
- Schaue, dass du für einige Minuten Zeit ungestört bist. Finde eine entspannte Sitzposition, lege deine Hände auf den Oberschenkeln ab
- Schließe deine Augen und atme ein paar Mal tief in den Bauch ein und aus
- Mit jeder Ausatmung gibst du mehr Anspannung ab, lässt ganz bewusst los. Versuche gleichlang ein und auszuatmen
- Spüre nun in dich hinein. Kannst du wahrnehmen, wie du auf dem Stuhl sitzt? Kannst du die Kontaktpunkte spüren? Nimm jeden Kontaktpunkt des Körpers auf dem Stuhl wahr.
- Während du die Kontaktpunkte des Körpers wahrnimmst atmest du bewusst weiter tief in den Bauch ein und aus
- Gehe nun weiter: Kannst du den Kontakt der Füße mit dem Boden spüren?
- Bleibe für einige Minuten bei dieser Wahrnehmung. Solltest du deine Füße nicht fühlen, spüre in deine Hände. Das ist manchmal leichter.
- Atme auch hier weiterhin bewusst weiter tief in den Bauch ein und aus
- Spüre, wie du durch das Spüren in den Körper innerlich ruhiger und entspannter wirst
Diese Übung kann mitunter eine ziemliche Herausforderung sein, weil du gewohnt bist, die meiste Zeit mit deiner Aufmerksamkeit im Kopf, besser bei deinen Gedanken zu sein. Mit der Aufmerksamkeit ganz bewusst in die Füße zu gehen, kann für dich eine ungewöhnliche Erfahrung sein, weil du da vielleicht schon lange nicht mehr warst. Wenn du aber deinen Körper bewusst wahrnimmst, führt dies meistens sehr schnell zur Beruhigung und innere Anspannung und das Gefühl von Druck können sich lösen.
Tipps für die Atmung im Alltag
Dein Atem ist ein mächtiges Tool für Körper und Geist, den du immer dabei hast. Wann immer du merkst, dass du dich überfordert fühlst oder dein Atem flacht geht, kannst du dieses Tool einsetzen und in kürzester Zeit wieder in deine innere Mitte finden. Wenn du bemerkst, dass du dich über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig gestresst fühlst, kannst du auch eine regelmäßige Routine daraus machen und beispielsweise 10 Minuten täglich eine dieser Atemübungen machen.
Gezieltes Atemtraining kann dir dabei helfen, die Atmung dauerhaft zu verbessern. Wenn du regelmäßig Atemübungen machst, wirst du auch im Alltag wachsamer werden und immer häufiger automatisch tiefer atmen oder schnell bemerken, wenn deine Atmung zu flach und schnell geht und dann gezielt gegensteuern. Dadurch wirst du dich automatisch innerlich ruhiger und ausgeglichener fühlen.
Vertiefende Literatur zur Atmung & Entspannung
- James Nestor - Breath: The New Science of a Lost Art
- Stanislav Grof & Christina Grof - Atmen: Eine neue Methode der Selbsterforschung und Therapie
- B.K.S. Iyengar: Licht auf YOGA
- Aljoscha Long - Die 7 Geheimnisse der Schildkröte: Den Alltag entschleunigen, das Leben entdecken
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